Die Zukunft des Fernsehens? Der Mix aus zwei Welten!
Sehen, was man will und wann man es will: Streaming-Plattformen wie Netflix oder YouTube haben damit ein starkes Argument auf ihrer Seite – und ziehen vor allem junge Zuschauer vor den (oft mobilen) Bildschirm. Aber auch das lineare TV lässt sich nicht abhängen, denn es gibt Bereiche, in denen die klassischen Sender immer noch nicht zu schlagen sind.
Samstagabend: Die ganze Familie ist im Wohnzimmer versammelt und sitzt gemeinsam vor dem Fernseher. Auch wenn es hier und da mal zu einem Disput über die Programmwahl gekommen ist, sind diese Szenen den meisten Zuschauern wohl in guter Erinnerung geblieben. Heute sieht es unter deutschen Dächern anders aus: Die Zahl der Familienmitglieder ist meist genauso hoch wie die Zahl der Bildschirme und Displays, die da leuchten: Fernseher, Handy oder Computer – jeder hat sein eigenes Programm.
Szenarien wie diese machen deutlich: Die Art, wie wir fernsehen, hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Laut einer Studie im Auftrag von ARD und ZDF wurde bereits im Jahr 2020 eine wichtige Schwelle überschritten: Zuschauer zwischen 14 und 29 Jahren verbrachten erstmals mehr Zeit mit Streaming als mit den klassischen Fernseh-Programmen im TV. Ein Trend, der sich seitdem fortgesetzt hat. Laut des jährlichen Digitalisierungsberichts Video von 2022 schalten nur noch 64,5 Prozent der 14- bis 29-Jährigen das TV-Gerät mindestens einmal im Monat überhaupt an.
Steht das lineare Fernsehen also vor dem Aus? Befinden wir uns am Ende einer Ära, die 1935 mit dem ersten deutschen Fernsehprogramm begann?

Tausende von Inhalten – nur einen Klick entfernt
Streaming und Video-on-Demand-Angebote bieten vor allem eines: maximale Individualität und Flexibilität. Der Zuschauer kann selbst entscheiden, was, wann und wo er streamen will. Als der Flatrate-Streamer Netflix in 2014 auch in Deutschland an den Start ging, traf das Unternehmen den Nerv der ohnehin vergleichsweise häuslichen Jugend: Hollywood-Blockbuster für „Netflix and Chill“-Abende und Serien-Binge-Watching wurden sofort zum Trend – und bescherten dem Unternehmen 24 Millionen deutsche Nutzer. Um sich gegen die Konkurrenz anderer Streaming-Dienste wie Disney Plus oder AppleTV+ sowie die Mediatheken der linearen Fernsehsender abzugrenzen, produziert Netflix heute auch exklusiven Content, darunter Serienerfolge wie „Stranger Things“ und „Bridgerton“.
Paradox: Ausgerechnet die riesige Auswahl an Inhalten wird für immer mehr Streaming-Abonnenten eher zur Last als zur Lust: „Decision-Fatigue“ oder auch „Netflix-Fatigue“ heißt das Phänomen, bei dem das Scrollen durch das Angebot bis zur Entscheidungsfindung als ermüdend wahrgenommen wird. Um dem zu begegnen, hat Netflix den „Shuffle-Button“ eingeführt, durch den dem Zuschauer per Zufallsprinzip Content vorgeschlagen wird.
Vor dem Fernseher mit der Community
Während Hollywood-Streifen und Serien beliebter Streaming-Content sind, gibt es auch Formate, bei denen das lineare Fernsehen weiterhin die Nase vorn hat. Dazu gehören Live-Events wie Sportereignisse und Musiksendungen, aber auch Fernsehklassiker in der Tradition von „Wetten, dass..?“. Haben wir nicht alle um 20.15 Uhr vor dem Bildschirm gesessen mit dem wohligen Gefühl, dass unsere Freunde und halb Deutschland gerade genau das Gleiche machen?
Dieses Wir-Gefühl ist der Grund dafür, dass diese Sendungen für viele „auf den großen Schirm“ gehören. Die Zuschauer spüren eine gesellschaftliche Teilhabe, die sie mit der Gewissheit wärmt, Teil eines großen Ganzen zu sein und nichts zu verpassen. Hinzu kommt: Voting-Shows, wie ja auch „Wetten, dass..?“ eine ist, funktionieren nur live, da die Anrufe für die Abstimmung während der Sendezeit eingehen müssen.
Viele Zuschauer tauschen sich auch während der Sendung über Kanäle wie WhatsApp oder Twitter über das Gesehene aus – ein Phänomen, das in den Bereich des „Social TV“ fällt, also eine Verschmelzung von TV und sozialen Medien.
Liegt also in Social TV und Interaktivität die Zukunft des linearen Fernsehens?
Die Antwort kennt Lars Riedel, Head of Consumer Entertainment & TV bei Vodafone:
„Das Fernsehen der Zukunft ist interaktiv, personalisiert und wird zunehmend über mobile Geräte konsumiert. Durch VR-Technologien entstehen zudem neue interaktive TV-Formate, bei denen Zuschauer mitentscheiden oder in die Handlung integriert werden. Grundlage ist eine moderne TV-Plattform, die Menschen miteinander verbindet und es den Zuschauern ermöglicht, wichtige und dramatische Momente auf dem Bildschirm miteinander zu teilen.“
Auch Streaming-Phänomene wie die sogenannten Watchpartys gehören zum Social TV. Hierbei wird zwar gleichzeitig geschaut – aber ein Stream und kein lineares Programm. Die Runde der Zuschauer besteht aus einer festen, eng verbundenen Gruppe – die aber nicht vor dem gleichen Bildschirm sitzt, sondern jeder schaut getrennt für sich. Kommentare und Meinungen werden dann per Chat ausgetauscht.

Feste Institutionen: die Nachrichten von ARD und ZDF
Unbestritten in seinem Element ist das lineare Fernsehen aber dann, wenn es um neutrale Information und politisches Zeitgeschehen geht. Schon als Kinder wussten wir: Zwischen 20 Uhr und 20.15 Uhr durften Erwachsene nicht gestört werden. Und auch wenn es sie heute in der ARD-Mediathek gibt: Die 20-Uhr-Nachrichten sind weiterhin eine Institution und werden gerne live gesehen – ganz besonders in Krisenzeiten. Der Grund: Seriöser und neutraler Journalismus wird vor allem den etablierten Sendern wie den „Öffentlich-Rechtlichen“ zugetraut.
Für Hintergrundinformationen und Expertenmeinungen bleiben die Deutschen ebenfalls abends länger wach und verfolgen renommierte Politiksendungen wie „Markus Lanz“ oder „Anne Will“ live – auch weil sie dann informiert sind, wenn die Themen der Sendung tags darauf mit Bekannten diskutiert werden.
Das lineare Fernsehen erfüllt hier nicht zuletzt einen demokratischen und auch pädagogischen Aspekt, da verschiedene Meinungen und Blickwinkel vorgestellt werden. Beim Streaming laufen die Zuschauer eher Gefahr, nur Content anzuklicken, der mit der eigenen Meinung und den eigenen Interessen ohnehin konform geht.
TV und Streaming: Fusion statt Verdrängung
Gibt es also eine Art Pattsituation zwischen Streaming und dem linearen TV? Die aktuelle Marktentwicklung zeigt: Nein – vielmehr findet eine Verschmelzung der beiden Formate statt.
Mehr als 66 Prozent der deutschen Haushalte besitzen inzwischen einen CTV (Connected TV), also einen internetfähigen Fernseher, über den sie neben den linearen Programmen auch Inhalte von Streaming-Diensten sehen können. Und die Übergänge von einem zum anderen werden immer fließender: So können CTV-Fernseher laufende Sendungen aus dem linearen Fernsehprogramm anhalten oder über den Instant-Restart-Button von vorne beginnen lassen – Features, die wir eigentlich nur vom Streaming oder einem DVD-Player kennen.
Auch sonst rüsten die TV-Sender gegen die Konkurrenz von Netflix und Co auf: Sie bieten in Mediatheken zahlreiche Inhalte zum Streaming an und schaffen teilweise eigene, kostenpflichtige Video-on-Demand-Plattformen. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, gehen zudem immer mehr Sender Kooperationen mit Streaming-Anbietern ein und bieten den Zuschauern das Beste aus zwei Welten.
Auch Vodafone hat sein Angebot durch Kooperationen erweitert.

Interview
Wir haben mit Lars Riedel, Head of Consumer Entertainment & TV bei Vodafone über die Zukunft des Fernsehens gesprochen.
Ist der Aufstieg des Streamings gleichbedeutend mit dem Abstieg des linearen Fernsehens? Welche Rolle spielt das klassische lineare Fernsehen noch für Vodafone?
Lars Riedel: Das eine schließt das andere nicht aus, Streaming und lineares Fernsehen ergänzen und verzahnen sich vielmehr. Aber klar, das Sehverhalten ändert sich. Junge Menschen sehen sich lieber Clips auf TikTok an als die Tagesschau um 20 Uhr. Und auch der Konsum von Streaming-Inhalten wird weiter zulegen, diese Entwicklung lässt sich nicht aufhalten. Doch eines darf man nicht vergessen: Noch immer schaut der Durchschnittsdeutsche 213 Minuten am Tag linear und nur 45 Minuten per Stream. Zudem besteht weiterhin ein großes Interesse an festen Sendezeiten. Klassisches Fernsehen punktet darüber hinaus bei der Live-Berichterstattung und bei Unterhaltungsshows wie beispielsweise „Wetten, dass..?“ mit zuletzt 40 Prozent Marktanteil oder Sendungen wie „The Masked Singer.“
Durch den Ausbau der Mediatheken und zusätzliche internetbasierte Abruf-Angebote stellen sich die Fernsehsender zudem für die Zukunft auf. Um vor allem jüngere Zuschauer zu erreichen, müssen die TV-Sender das Angebot in ihren Mediatheken weiter ausbauen und die Inhalte für längere Zeiträume als bisher üblich verfügbar machen. Dieses „Nachholfernsehen“ führt zu wachsender Nutzungsdauer und höheren Reichweiten. Im TV-Markt der Zukunft wandert das Lineare in den Streaming-Bereich und umgekehrt.
Die Zersplitterung der Content-Anbieter wird für Kunden allerdings immer komplexer. Man benötigt immer mehr Abos. Der Durchschnittsdeutsche hat bereits 1,9 Streaming-Dienste abonniert. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem man nicht mehr Geld für Abonnements ausgeben möchte. Unser Job ist es, alle Inhalte über eine Benutzeroberfläche so einfach wie möglich aufzubereiten. Daher ist die Fragmentierung für uns als Netzbetreiber gut – wir bringen Inhalte unter einer Oberfläche zusammen, vereinen mehrere Dienste auf einer Plattform, bündeln diese und können unseren Kunden so verschiedenste Angebote mit Preisvorteilen anbieten. Wir machen es für den TV-Zuschauer dadurch einfacher.
Auch durch die TKG-Novelle ist der Markt im Umbruch und die Ansprüche der Zuschauer steigen. Welche Vorteile bietet eine Medienversorgung über Vodafone?
Lars Riedel: Vodafone ist mit mehr als 13 Millionen TV-Kunden der größte deutsche TV-Anbieter und erreicht 24 Millionen Kabel-Haushalte. Wir bieten schon seit vielen Jahren Festnetzdienste an und haben mit Abstand das größte Gigabit-Netz Deutschlands. Das TV-Kabel steht für verlässliche Technik und eine gute Bild- und Tonqualität. Zudem bietet es eine riesige Programmvielfalt. Zugleich bietet das Kabel Millionen von Menschen einen Zugang zu superschnellem Internet und damit zu den Angeboten der Streaming-Anbieter. Die Brücke zwischen dem klassischen Fernsehangebot über Kabel und den Streaming-Angeboten aus dem Internet schlagen wir mit unserer TV- und Entertainment-Plattform GigaTV. Für den Zulauf bei den Streaming-Angeboten sind wir durch unser Internet-Angebot, das Internet-Geschwindigkeiten von bis zu 1.000 Mbit/s bietet, gut aufgestellt. Wir bieten unseren Kunden alles aus einer Hand und zu attraktiven Preisen. Ein Rundum-sorglos-Paket, für das sich auch zukünftig viele Mieter entscheiden werden.
Weitere Informatioen zum Thema Zukunft des Fernsehens, GigaTV, Social TV, 5G und Virtual Reality können Sie sich im TV-Helden Podcast anhören.
Hrsg: Christian Heinkele
TV-Werbung 2.0: maßgeschneidert und Multichannel
Ganz neue Möglichkeiten ergeben sich durch die entstandenen Angebote für den Bereich der TV- und Online-Werbung. So können Produktvorschläge durch die Auswertung der Streaming-Gewohnheiten noch stärker personalisiert und auf den einzelnen Zuschauer zugeschnitten werden. Technologien wie die Automatic Content Recognition (ACR) erkennen zudem, welche TV-Spots der Zuschauer im linearen TV gesehen hat. Diese können dann im Online-Angebot je nach Wunsch ausgespart oder bewusst noch einmal aufgegriffen werden – beispielsweise, wenn sich der Zuschauer in der Werbepause seinem Smartphone zuwendet (Second-Screen-Nutzung).
Fazit: Die Kombination von linearem TV und Streaming-Inhalten ist inzwischen zu einem Kernelement der Mediennutzung geworden und wird noch weiter fortschreiten. Vernetzung ist das Stichwort. Für Werbetreibende bietet das neue Möglichkeiten. Content-Anbieter, die ebenfalls Teil dieses Erfolges sein wollen, müssen am Ball bleiben – inhaltlich und auch technologisch. Die Konsumenten dagegen können sich über ein umfassendes Angebot freuen, das letztendlich die Vorteile beider Formate vereint.
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